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Geschrieben von: Der Bibliothekar am Jul 31 2009, 02:50 PM | ||
Titel: Uroskopie im Larp Autor: Oliver Richter Datum: 31.07.2009 Was ist Uroskopie? Uroskopie oder Harnschau bezeichnet (stark vereinfacht) die Untersuchung von Urin auf bestimmte Merkmale wie Farbe, Geruch, Geschmack, Konsistenz, Schaumbildung, usw., um Rückschlüsse auf ein Ungleichgewicht der vier Körpersäfte (Blut, Schleim, schwarze Galle und gelbe Galle) ziehen und es mit entsprechenden Therapien wieder herstellen zu können. Den einzelnen Säften waren je ein bestimmtes Element, Temperament, Jahreszeit, Geschmack, Organ, usw. zugeordnet, die bei der Diagnose und Behandlung mit berücksichtigt werden mussten. Während Ärzte heutzutage mit technischen Geräten einen Menschen quasi komplett durchleuchten können, musste man sich in Antike und Mittelalter mit anderen Methoden zufrieden geben. Insbesondere durch den Einfluss der Kirche war es den Medizinern zeitweise streng verboten, bestimmte Körperstellen abzutasten oder gar den Patienten nackt zu sehen - Die Untersuchung des Urins bot daher den bestmöglichen Zugang zum Erkrankten. Abbildung einer Harnschau im Fasciculus medicinae des Johannes de Ketham. Was bringt Uroskopie im Larp? In diesem Artikel soll beschreiben werden, wie sich eine Harnschau im Larp durchführen/darstellen lässt. Zunächst stellt sich aber erstmal die Frage "Wozu das ganze?". Die Antwort ist simpel: Um das "Krankspielen" interessanter zu gestalten. Krankheiten sind im Larp leider ziemlich häufig ein von der Spielleitung eingesetztes Mittel, um die Spieler zu schwächen, ein Bedrohungsszenario zu schaffen oder schlicht um Heilern und Alchemisten eine Beschäftigung zu geben. Diese "Plot-Krankheiten" (gerne auch als "Plottilenz" bezeichnet) erlauben in den wenigsten Fällen Spiel, das bei der Diagnose über ein "Krankheit: Ja/Nein" und bei der Behandlung über das finden eines entsprechenden Gegenmittels und der benötigten Zutaten hinausgeht. Ein Großteil des "Krankspielens" findet also gar nicht zwischen Heiler und Patient statt. Der Heiler ist unterwegs und der Patient siecht vor sich hin. Uroskopie im Larp setzt genau an diesen Punkten an. Diese Art der Diagnose (Uroskopie dient der Bestimmung einer Krankheit, nicht der Behandlung) bindet den Patienten aktiv ins Geschehen ein und lässt ihn selbstständig darüber entscheiden, wie krank er sein möchte und in Abhängigkeit davon, wie intensiv eine Behandlung sein soll (Opferregel). Für den Heiler bietet es ebenfalls genug Spiel, denn er muss die "Entscheidung" des Patienten aktiv diagnostizieren (Show, don't tell). Und grade diese Diagnose dürfte auch für einiges an "Show" und verzerrte Gesichter sorgen, spätestens dann, wenn der Heiler die Harnprobe auf Geschmack hin untersucht. Wie lässt sich die Uroskopie sinnvoll fürs Larp adaptieren? die Harnschau entwickelte sich von der Antike bis ins späte Mittelalter zu einer sehr komplexen und umfangreichen "Wissenschaft". Wollte man all die Dinge mit einbeziehen, die bei der echten Diagnose durch Uroskopie relevant gewesen sind, wird die ganze Sache fürs Spiel im Larp schlicht unpraktikabel. Es gilt also, zu reduzieren. Ich mache das in diesem Fall sehr extrem, indem ich die Kriterien, nach denen die Harnprobe untersucht wird, auf Farbe, Geschmack und Konsistenz beschränke. Der Geschmack wird in zwei Kategorien eingeteilt: süßlich oder säuerlich. Die Konsistenz ist entweder klar oder trüb (bei einer echten Uroskopie unterschied man verschiedene Formen von Niederschlag, usw.). Und während die Abbildungen von "Uroskopie-Rädern" uns 20 bzw. 21 verschiedene Farbnuancen überliefern, werde ich schlicht natürliche, sprich gelbe Farbe annehmen sowie je eine geringe und eine stärkere Färbung mit roter oder dunkler Farbe. Drei Faktoren mit zweimal 2 und einmal 5 verschiedenen möglichen Werten bilden also die Grundlage für unsere Larp-Uroskopie. Rechnerisch ergeben sich also relativ überschaubare 20 Kombinationen, die unterschieden werden können:
Den Unterschied in der Konsistenz erreichen wir, indem wir zwei Verschiedene Sorten von Saft als "Basis-Urin" zur Verfügung stellen, klaren und trüben. Den Unterschied in der Farbe erreichen wir durch die Zugabe von roter oder schwarzer/blauer Lebensmittelfarbe (jeweils einmal in geringer und einmal größerer Dosis) oder dem Weglassen von Farbe (= gelb). Durch die Zugabe von Essig lässt sich der süße Saft geschmacklich Richtung sauer modifizieren. Das Uroskopie-Rad Uroskopie-Rad aus dem Fasciculus medicinae. Die historischen Abbildungen von Uroskopie-Rädern haben aller Wahrscheinlichkeit nach in erster Linie Lehrzwecken gedient. Wie z.B. Kirsten Jungersen von der Universität Kopenhagen ausführt, beschränkt sich Aussagekraft der Uroskopie-Räder streng genommen auf die genaue Bezeichnung einzelner Urinfärbungen (im Stile von "rot wie orientalischer Safran"). Das Uroskopie-Rad ist also alles anderes als ein vollwertiges Diagnose-Instrument. Fürs Larp machen wir daraus eins. Die Einteilung in 3 Faktoren, die für uns die Grundlage für die Uroskopie im Larp bildet, lässt sich sehr schön auf solch ein Rad projizieren. Ob man nun sein Rad primär nach Farbe, Konsistenz oder Geschmack ordnen möchte, sollte jeder für sich selbst entscheiden; ich halte eine Aufteilung in einen "süßen" und einen "sauren" Halbkreis für recht sinnvoll, welche dann jeweils nach Konsistenz in ein "klares" und ein "trübes" Viertel geteilt sind. Die unterste Ebene der Unterteilung stellt damit die Farbe dar. Schema einer möglichen Aufteilung nach dem Prinzip Geschmack --> Konsistenz --> Farbe. Hier mit den entsprechenden Farben. Die entsprechenden "Farb-Stufen" (etwas rot - viel rot, etwas dunkel - sehr dunkel) liegen direkt nebeneinander. Trüber Harn ist mit ein paar Punkten markiert. Da unser Uroskopie-Rad als Diagnoseinstrument dienen soll, nutzen wir den Platz, der im "Original" für die genaue Beschreibung des jeweiligen Farbtons verwendet wird für Hinweise auf die Krankheit bzw. das betroffene Organ, welche(s) der entsprechenden Urinprobe als Ursache zugeordnet werden kann. Da die Unterscheidung von leichter und stärkerer Färbung teilweise sehr schwer sein kann, fasse ich "Harn-Profile" die sich nur der Stärke der Färbung unterscheiden zu einer Krankheit zusammen. Die Stärke der Färbung kann dann als Indikator für die Schwere oder das Stadium der Erkrankung dienen. Daraus ergibt sich mit 12 möglichen "eindeutigen" Kombinationen immer noch genug Auswahl für den Patienten. Uroskopie-Rad mit einigen Feldern, in denen die vermutete Ursache einzelner Harnproben bereits ausgefüllt ist. Zuletzt können wir uns noch um den Platz in der Mitte kümmern. Ich orientiere mich bei meiner Variante optische am "Original", verwende aber aus Platz- und Lesbarkeitsgründen nur 3 Kreise, welche den Medicus anweisen, die Proben auf Geschmack, Konsistenz und Farbe zu prüfen. Eine Art "Bedienungsanweisung" also. Kreise mit "Bedienungsanweisung" in der Mitte des Rades. Wenn man sich zu allen möglichen Kombinationen entsprechende Krankheiten/Ursachen hat einfallen lassen, kann man das ganze dann ggf. noch ein bisschen verzieren. Meine fertige Version sieht z.B. so aus (verkleinert): Die Krankheits-Liste / Anleitung Während des Uroskopie-Rad als Instrument zur Diagnose dient, ist die Krankheiten-Liste gewissermaßen das Rezept-Büchlein, mit dessen Hilfe sich die Patienten ihre gewünschte Krankheit zusammenmixen können. Die Tabelle muss nicht alle möglichen Kombinationen enthalten, die theoretisch möglich wären - man kann (und ggf. sollte) sich ruhig eine Hand voll Möglichkeiten raussuchen. Wichtig ist dabei aber, dass der Patient immer genug Auswahl von "harmlosen" bis "schweren" Erkrankungen hat. Meine Liste/Anleitung beginnt mit ein paar Zeilen, die dem Patienten kurz erklären, worum es hier überhaupt geht, was der Heiler von ihm erwartet und was die einzelnen Symbole bedeuten. Danach folgen die einzelnen Krankheiten. Ich habe sie in verschiedenen "Stufen" zusammengefasst von "harmlos" bis "tödlich". Die einzelnen Krankheiten bestehen bei mir aus dem Namen, einem sehr kurzen Beschreibungstext, einer Liste mit Symptomen, die der Patient zeigen sollte um die Erkrankung glaubwürdiger darzustellen, und natürlich dem "Rezept". Kurze Erklärung und Seite mit Krankheiten (verkleinert) Ablauf einer Uroskopie und benötigte Ausrüstung Hier zusammenfassend noch einmal der Ablauf einer Uroskopie im Larp: Ein Patient kommt zum Heiler und klagt über diverse Symptome. Als Teil seiner Diagnose bittet der Heiler den Patienten, ihm eine Harnprobe zu geben und schickt ihn ins Zelt (an dieser Stelle dürften sich schon die ersten Ohren aufstellen, wenn das Wort "Harnprobe" fällt). Im Zelt findet der Patient die Anleitung/Krankheiten-Liste vor sowie die "Zutaten". Kommt der Patient mit dem gefüllten Gefäß wieder aus dem Zelt, kann die eigentliche Harnschau beginnen. Zunächst kann Farbe und Konsistenz überprüft werden. Natürlich kann sich der Heiler solche komplizierten Sachverhalte wie "rötlich und trübe" auch merken, es wirkt aber ggf. "wissenschaftlicher", wenn der Heiler die Beobachtungen noch mal kurz protokolliert. Das "Finale" ist die Geschmacksprobe. Runterschlucken dürfte eher unpassend wirken. Ausspucken und mit vorher bereitgestelltem Wasser "nachspülen" ist da realistischer. Wer gurgelt, fliegt raus! Sind alle Merkmale bestimmt, kann der Heiler seine Diagnose verkünden und ggf. nach weiteren typischen Symptomen der entsprechenden Krankheit nachforschen/fragen, um die Diagnose zu bestätigen. Dann kann der Heiler mit der Behandlung der Krankheit beginnen. Als Ausstattung wird benötigt:
Den gesamten Themenkomplex der Vier-Säfte-Lehre (also die eigentliche theoretische Grundlage) habe ich bei der Adaption fürs Larp komplett unter den Tisch fallen lassen und habe die Ergebnisse der Harnschau direkt mit einer bestimmten Krankheit bzw. einen bestimmten Organ verbunden. Das bedeutet natürlich nicht, dass man darauf verzichten muss. Die hier vorgestellte Möglichkeit, eine Uroskopie fürs Larp zu adaptieren, lässt ganz bewusst möglichst viel Raum für "Medizin-Theorie" im Hintergrund. Wer seine Diagnose mit einem Überschuss an schwarzer Galle begründen und die Behandlung darauf basieren möchte, der kann das genau so gut tun, wie jemand, für den ein Nierenversagen selbstverständlich das Werk des großen Phönix Phacy'lacotl sein muss. An dieser Stelle noch kurz einen herzlichen Dank an kimmAe für das Feedback zur Krankheiten-Liste. http://creativecommons.org/licenses/by-nc-sa/2.5/deed.de Der folgende Beitrag steht unter der Creative Commons License "Attribution-NonCommercial-ShareAlike 2.5". Man darf:
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Geschrieben von: Der Bibliothekar am Jul 31 2010, 01:10 AM |
Update 31.07.2010: Das Urinrad sowie die passende "Krankheit-O-Mat" Kranheitenliste stehen jetzt als PDF zum Download bereit. http://www.trollbruecke.de/ring_der_heiler/bibliothek/RdH_Uroskopie_Anleitung.pdf http://www.trollbruecke.de/ring_der_heiler/bibliothek/RdH_Uroskopie_Urinrad.pdf Beide Dokumente stehen - wie der Bibliotheksartikel selbst - unter der http://creativecommons.org/licenses/by-nc-sa/2.5/deed.de |